20110924

ΜΕ ΛΙΓΑ ΛΟΓΙΑ...JUST A FEW WORDS...

(At the European Parliament in Brussels during the Journalism Prize Award Ceremony)

Jannis Papadimitriou is a Greek-German journalist and jurist, gratuated from the University of Bonn and specialized in European and Public International Law. He speaks English, German, Spanish, Greek and elementary French and Polish. For about 15 years Jannis has worked as an editor, presenter and producer for German Television (WDR Cologne, SWF Baden Baden, DW) and Deutsche Welle Radio. He has also worked as a news anchorman and foreign desk editor for various TV-channels in Greece. Currently he is an Athens- based correspondent for Deutsche Welle and the German daily Die Tageszeitung. He reports regularly on European affairs and Greek- German relations. In February 2016 Jannis received a Journalism Award by "Südosteuropa-Gesellschaft" in Munich, Germany, for his coverage of the eurozone and Greek debt crisis. 2008 he was nominated for the Journalism Prize of the European Parliament in Brussels and 2010 he was awarded the Calligas Journalism Prize in Athens, Greece, for promoting European integration. First prize in the Goethe Institute German-Greek translation contest 2011. Co-author of So sieht uns die Welt (Westend Verlag, Germany, 2013) and author of the Eurolexicon (in Greek). Please feel welcome to contact him at JannisContact@gmail.com


Ο Γιάννης Παπαδημητρίου είναι νομικός, δημοσιογράφος και συνεργάτης-ανταποκριτής της Deutsche Welle, ενώ συνεργάζεται και με τη γερμανική εφημερίδα "Tageszeitung" του Βερολίνου. Απόφοιτος της Γερμανικής Σχολής Αθηνών και της Νομικής Σχολής του πανεπιστημίου της Βόννης. Για πολλά χρόνια εργάστηκε ως δημοσιογράφος και παρουσιαστής σε ενημερωτικές εκπομπές της γερμανικής τηλεόρασης (WDR, SWF, Deutsche Welle TV), καθώς και στο ραδιόφωνο της Deutsche Welle. Από το 1999 καλύπτει τακτικά τις συνόδους του Ευρωπαϊκού Κοινοβουλίου στο Στρασβούργο. Το 2010 τιμήθηκε με το δημοσιογραφικό βραβείο Κωνσταντίνος Καλλιγάς. To 2016 έλαβε το δημοσιογραφικό βραβείο της γερμανικής Επιστημονικής Εταιρίας Νοτιοανατολικής Ευρώπης (Südosteuropa-Gesellschaft) στο Μόναχο για την κάλυψη της κρίσης χρέους στην Ελλάδα και την ευρωζώνη. Το 2008 ήταν υποψήφιος για την Ελλάδα στο πρώτο Δημοσιογραφικό Βραβείο του Ευρωπαϊκού Κοινοβουλίου. Είναι μέλος της Ένωσης Ευρωπαίων Δημοσιογράφων και έχει γράψει το Μικρό Ευρωλεξικό, ενώ συμμετέχει στο βιβλίο "So sieht uns die Welt- Ansichten über Deutschland" (κυκλοφορεί από τον γερμανικό εκδοτικό οίκο WESTEND). Διεύθυνση επικοινωνίας: JannisContact@gmail.com.

ZWISCHEN SCHEIN UND SEIN

(Jannis Papadimitriou, drawn by Portugese cartoonist Pimentel)

Auch nach der Zustimmung zum neuen Hilfspaket steht weiterhin zu befürchten, dass die griechische Regierung einen Rückzieher macht, kommentiert Jannis Papadimitriou. Doch auch wenn Athen weiterhin mit radikaler Rhetorik auftritt, sei die EU gut beraten, Griechenland mit Toleranz zu begegnen. 

Es kommt, wie es kommen muss: Unter dem sanften Druck der Europäischen Zentralbank macht der radikale Linkspolitiker Alexis Tsipras einen Rückzieher und akzeptiert die Verlängerung der Finanzhilfen für Griechenland - samt Sparauflagen und Kontrolle durch die Geldgeber. Begibt er sich damit in die Fußstapfen seines Vorgängers, des Konservativen-Chefs Antonis Samaras? Das befürchten jedenfalls viele seiner Anhänger in Athen. Schon jetzt rebellieren führende Politiker der Linkspartei gegen die Grundsatzeinigung mit den Geldgebern. Elf Stunden lang hat die Parlamentsfraktion der Partei am Mittwoch über die Lage beraten und war nach der Krisensitzung nicht schlauer als zuvor. Die Stimmung der Zeit spiegelt eine Karikatur in der liberal-konservativen Zeitung Kathimerini wider. Sie zeigt Bundeskanzlerin Angela Merkel, die Finanzminister Wolfgang Schäuble über die neuen Gepflogenheiten aufklärt: Die Troika heiße ab sofort "Die Institutionen" mahnt die Bundeskanzlerin. Und außerdem: "Die Verlängerung heißt nun ‛Brücke', das Memorandum der Sparpolitik nennt man ‛Vertrag' und Samaras heißt jetzt ‛Tsipras'..."

Während sich eingefleischte Links-Wähler in Athen über den vermutlichen Rückzieher des neuen Premiers ärgern, befürchten viele in Berlin genau das Gegenteil: dass Tsipras seine Wahlversprechen doch noch umsetzt - und zwar ohne Rücksprache mit den EU-Partnern. Die eine oder andere Äußerung aus Athen scheint diese Befürchtung zu bestätigen. Dabei sollte man aber den Unterschied zwischen Sein und Schein in der griechischen Politik nicht unterschätzen. Ein Abstecher in die jüngste Vergangenheit des Landes macht dies deutlich: Vor 34 Jahren gewann der damalige Sozialistenführer Andreas Papandreou die Parlamentswahlen mit einer radikalen Rhetorik, die weit über jedes normale Maß hinausging. "Raus aus der EG, raus aus der NATO" lautete sein Wahlslogan. Zudem sympathisierte er mit Russland und der arabischen Welt und forderte die Kündigung der Stützpunktverträge mit den USA. In seinen Wahlkundgebungen wurden die Amerikaner pauschal als "Mörder der Völker" bezeichnet.

Tsipras erinnert an Papandreou

Doch nur wenige Jahre später war Papandreou gezähmt durch die Sachzwänge des Regierens und die wirtschaftlichen Zusammenhänge in der Europäischen Gemeinschaft. 1988 erklärte er sogar ausdrücklich in einem Interview, er habe sich für den Verbleib in der EG entschieden, da ein Austritt noch viel größeren Schaden anrichten würde - ein Argument, das er sich von der britischen Labour Party abgeguckt hatte. Und auch die US-Militärstützpunkte in Griechenland durften bleiben. "Achtet nicht darauf, was er sagt. Achtet lieber darauf, was er tut" telegrafierte der damalige US-Botschafter in Athen, Monteagle Sterns, nach Washington - und bekam dadurch selbst Ärger mit seinen Vorgesetzten. Doch er sollte recht behalten.

Allein schon durch seine Rhetorik erinnert Links-Premier Alexis Tsipras ziemlich stark an den damaligen Sozialistenführer. Viele seiner Anhänger sind ehemalige Papandreou-Wähler. Das Problem ist nur: Anders als Papandreou stehen Tsipras nur wenig Zeit und Geld zur Verfügung, damit er seine politische Wende vollziehen und diese auch noch als Erfolg verkaufen kann. Immerhin hat er jetzt vier Monate Aufschub bekommen. Aber das dürfte kaum reichen. Spätestens im Herbst wird man in Brüssel und Berlin wohl wieder über Griechenland reden müssen. In diesem Fall wären die EU-Partner gut beraten, etwas mehr Toleranz gegenüber radikaler Rhetorik aus Athen an den Tag zu legen, so menschlich schwer dies auch sein mag.

Zur Tradition griechischer Politik gehört leider nämlich auch, dass man einen Rückzieher in der Sache durch blühende Rhetorik zu überdecken versucht. Einen Vorgeschmack hat der rechtspopulistische Verteidigungsminister und politische Weggefährte von Tsipras, Panos Kammenos, geliefert: Kaum war die Tinte unter der jüngsten Einigung mit den Geldgebern trocken, beantragte Kammenos einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss, der klären soll, wie es zum verhassten Sparprogramm für Griechenland kam - und wer die Verantwortung dafür trägt.

(Kommentar für das Deutschlandradio, Februar 2015- Σχόλιο για τον ραδιοφωνικό σταθμό  Deutschlandradio, Φεβρουάριος 2015)

JUNCKER IN GRIECHENLAND





(Press-talk at the European Parliament in Strasbourg, France)

Von Junckers Besuch in Athen wird viel erwartet. Premier Samaras, der den neuen EU-Kommissionschef unterstützt hat, will nun etwas zurückhaben.

Kaum ein hoher Gast aus dem Ausland wurde in Griechenland in den vergangenen Jahren mit so viel Sehnsucht erwartet wie Jean-Claude Juncker an diesem heißen Montagmittag. Warum ausgerechnet Juncker? Der neue EU-Kommissionschef gilt als guter Freund des krisengebeutelten europäischen Südens und als nicht so machtlos wie Vorgänger José Manuel Barroso. Zu den Juncker-Unterstützern der ersten Stunde, als dessen Kandidatur selbst innerhalb der Europäischen Volkspartei höchst umstritten war, zählte der griechische Regierungschef Antonis Samaras. Nun will der Premier für die Treue belohnt werden – am besten dadurch, dass man in Brüssel endlich über eine Neuregelung der griechischen Schulden, etwa über eine deutliche Verlängerung der Zahlungsfristen, laut nachdenkt.

Sollte dies bis Jahresende gelingen, hätte die Athener Koalitionsregierung einen Trumpf in der Hand – für den nicht mehr unwahrscheinlichen Fall, dass die in den Umfragen wiedererstarkte Linksopposition Anfang 2015 Neuwahlen erzwingt. So das Kalkül in Athen. Nicht zuletzt auf solchen Wahlkampfüberlegungen ist ein weiteres Anliegen von Regierungschef Samaras zurückzuführen: Verteidigungsminister Dimitris Avramopoulos, der neue EU-Kommissar Griechenlands, soll bei der Ressortverteilung eine möglichst prestigeträchtige Aufgabe zugesprochen bekommen. Aus Athener Sicht sollte der ehemalige Diplomat das Brüsseler Ressort für Einwanderungspolitik übernehmen und eine umfassende Reform des europäischen Asylrechts vorantreiben. Für die Wähler der rechtsextremen „Goldenen Morgenröte“ (die aller Strafanträge zum Trotz laut Umfragen drittstärkste Partei bleibt) wäre dies eine deutliche Botschaft: „Seht her, wir tun doch was – und zwar auf höchster europäischer Ebene.“


(Kommentar für die TAZ, August 2014- Σχόλιο για την εφημερίδα TAZ, Αύγουστος 2014)

TOURISMUS-BOOM MIT FOLGEN

(Reporting from the Deutsche Welle Radio in Bonn, Germany)

Griechenland erlebt einen Touristen-Rekord. Die Hotelbesitzer freuen sich- und erhöhen kräftig die Preise.Sogar die Regierung ruft zur Mäßigung auf.

Die Zahlen sprechen für sich: 2014 werden erstmals mehr als 21 Millionen Besucher in Hellas erwartet - ein Plus von über 10 Prozent im Vergleich zum bisherigen Rekordjahr 2013. Die Einnahmen aus dem Fremdenverkehr sollen entsprechend steigen - auf mindestens 13 Milliarden Euro, hat der Verband der griechischen Tourismus-Unternehmen (SETE) berechnen lassen. Anscheinend wird der Tourismus auch in diesem Sommer zum Rettungsanker der griechischen Wirtschaft. 

Doch einige Hoteliers sind vor allem auf schnellen Profit bedacht: In diesem Juli sind die Übernachtungspreise in Hellas nach Berechnungen des Online-Hotelportals Trivago um 13,5 Prozent im Vergleich zum Vorjahr gestiegen. SETE-Präsident Andreas Andreadis versucht, die Wogen zu glätten: "Hotelpreise richten sich nun mal nach Angebot und Nachfrage. Jedenfalls liegt derzeit der Preisanstieg durchschnittlich eher im einstelligen Prozentbereich", versichert er im Gespräch mir der DW. Natürlich könne man nicht ausschließen, dass einzelne Hoteliers in den Top-Reisezielen Griechenlands, etwa auf Mykonos und Santorini, kräftig zu Buche schlagen. Auch in der Hauptstadt Athen käme es noch in diesem Jahr wohl zu deutlichen Preiserhöhungen, sagt Andreadis. Man müsse aber auch bedenken, dass die Preise für Hotelübernachtungen dort in den vergangenen Jahren krisenbedingt sogar um bis zu 50 Prozent gefallen waren.

Preiserhöhungen rufen Politik auf den Plan     

Der Tourismus macht fast ein Fünftel der griechischen Wirtschaftsleistung aus. Im vergangenen Jahr hat dieses florierende Geschäft dazu beigetragen, dass Griechenland zum ersten Mal seit 1948 einen Überschuss in seiner Leistungsbilanz erzielen konnte. Die Regierungskoalition unter Führung des konservativen Ministerpräsidenten Antonis Samaras will alles dafür tun, damit das zarte Pflänzchen Aufschwung nicht durch Wucherpreise gefährdet wird. Anfang Juni warnte Tourismusministerin Olga Kefalogianni unmissverständlich vor steigenden Hotelpreisen: In den vergangenen Krisenjahren konnte Griechenland seine Preise senken und dadurch wettbewerbsfähiger werden. Nach Informationen griechischer Medien sei auch Regierungschef Samaras höchstpersönlich beim Verband der Tourismus-Unternehmen vorstellig geworden.

"Die Intervention des Ministerpräsidenten möchte ich nicht kommentieren", sagt Verbandschef Andreas Andreadis. "Unsere Position lautet jedenfalls, dass alleine der Markt die Preise regelt." Schließlich würde das Tourismus-Geschäft in Griechenland nicht von einigen wenigen Anbietern beherrscht und insofern sei eine Kartellbildung nicht möglich. Zudem sei das Preis-Leistungs-Verhältnis nicht zu beanstanden, meint Andreadis, der selbst ein Nobelhotel auf der nordgriechischen Halbinsel Chalkidiki betreibt. 

Hohe Preise für Last-Minute-Reisende? 

Für Nikos Chryssikopoulos, Chefredakteur des Wirtschaftsportals capital.gr, sind Wucherpreise für Hotelübernachtungen derzeit noch eher die Ausnahme. Allerdings müssten Reisende, die sich erst im letzten Moment um ein Hotel kümmern, in der Tat mit steigenden Preisen rechnen, mahnt der Wirtschaftsexperte. Sein Rat lautet daher: "Griechenland ist ein beliebtes Reiseziel für den Urlaub, und wer ein solches Reiseziel ins Auge fasst, der wäre gut beraten, möglichst früh zu buchen." Aber die allermeisten Besucher aus Deutschland und Österreich täten dies ja ohnehin, sagt Chryssikopoulos und fügt mit einem Augenzwinkern hinzu: "Im Norden Europas haben frühe Buchungen Tradition. Bei uns ist dagegen die Mittelmeer-Mentalität zuhause: Wir entscheiden uns eher in letzter Minute, wo wir unseren Urlaub verbringen wollen." 

Nach Branchenprognosen werden die Deutschen auch in diesem Jahr mit voraussichtlich 2,7 Millionen Urlaubern die zahlenmäßig größte Besuchergruppe in Hellas sein - gefolgt von den Briten. Durch den Tourismus könnte die krisengeplagte griechische Wirtschaft erstmals nach mehreren Rezessionsjahren sogar eine positive Wachstumsrate aufweisen, glaubt die Athener Regierung. 

Die Russen kommen - immer noch 

Mit über einer Million Urlaubern gehören seit 2013 auch die Russen zu den größten Besuchergruppen. Zur Freude der griechischen Gastgeber gelten sie als besonders spendabel, durchschnittlich fast 100 Euro geben sie am Tag aus - mehr als jeder andere Europäer. Doch wie wird das in diesem Jahr aussehen, vor dem Hintergrund der politischen Unsicherheiten durch den Ukraine-Konflikt und der Abwertung des Rubels? Wird sich das auch auf die griechische Tourismus-Branche auswirken - zum Beispiel, wenn Gäste aus Russland weniger Geld für den Hellas-Urlaub ausgeben können? 

Wahrscheinlich nicht, glaubt Chryssikopoulos. "Μan muss differenzieren: Reiche Gäste, die nach Griechenland wollen, lassen sich auch von einer Krise nicht so leicht erschrecken. Für den Massentourismus aus Russland sieht es vielleicht doch ganz anders aus", erläutert der Athener Wirtschaftsexperte. Sein Fazit: Wenn überhaupt, dann erwarte man einen Einbruch bei den Gästezahlen, aber nicht unbedingt bei den Einnahmen aus dem Russland-Geschäft. Der Verband griechischer Tourismusunternehmen möchte jedenfalls, dass die gern gesehenen Gäste aus Osteuropa dem Land treu bleiben. Aus diesem Grund habe man den Russen auch eine Art Treuebonus gewährt, sagt Verbandschef Andreadis: "Um die Rubel-Abwertung aufzufangen, haben wir russischen Reiseanbietern Preisnachlässe gewähren müssen", erklärt Verbandschef Andreadis. Diese Geste sei nötig, damit Griechenland langfristig seinen Marktanteil sichern kann.

(Bericht für die Deutsche Welle, Juli 2014- Ρεπορτάζ για την Ντόιτσε Βέλλε, Ιούλιος 2014)



INVESTITIONEN NACH ATHEN TRAGEN

(Television production in Baden Baden, Germany)

Die Gründung eines Investitionsfonds nach Vorbild der deutschen KfW-Bank könnte ein Meilenstein im Kampf gegen die Wirtschaftskrise werden, meint Jannis Papadimitriou.
Mit insgesamt 500 Millionen Euro soll diese "Institution für Wachstum" die zarte Pflanze des Aufschwungs, die sich derzeit in Griechenland andeutet, zur vollen Pracht verhelfen. Je 100 Millionen sollen Berlin und Athen in den Fördertopf für Klein- und Mittelbetriebe in Hellas einzahlen, den Rest übernehmen die EU, die Europäische Investitionsbank, sowie die private griechische Onassis-Stiftung.
Flexible Finanzierungsmöglichkeiten
Die Bedeutung dieser Institution ist größer, als es ihre bescheidenen Kapitaleinlagen zunächst vermuten lassen: Gerade im krisengeplagten Griechenland - und erstmals nach sechs aufeinanderfolgenden Rezessionsjahren - könnte eine Förderbank nach Art der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) den Unternehmern flexible Finanzierungsmöglichkeiten bieten und somit den Teufelskreis aus Rezession und Sparzwängen durchbrechen. Auch auf politischer Ebene setzt der Investitionsfonds ein wichtiges Signal, vor allem in der griechischen Öffentlichkeit: Dadurch erklärt sich Deutschland nämlich bereit, Griechenland direkt zu helfen und nicht nur indirekt über den europäischen Stabilitätsmechanismus. Zudem tritt Berlin damit nicht (nur) als Einpeitscher der Sparpolitik in Erscheinung, sondern erstmals in dieser Deutlichkeit auch als aktiver Wachstumsförderer.
Doch gute Absicht allein reicht nicht. Immerhin hatte bereits Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble die Gründung einer griechischen Förderbank bei seinem Griechenland-Besuch im Sommer 2013 angekündigt. Doch seitdem war das Vorhaben auf Eis gelegt worden. Möglicherweise lag das auch an den überzogenen Erwartungen der griechischen Seite, die anscheinend die Hoffnung hegte, ein von Wolfgang Schäuble angekündigtes Projekt würde auch größtenteils von Deutschland finanziert. Die Verzögerung könnte auch an den unklaren Vorstellungen Frankreichs liegen. Die Franzosen möchten sich an der griechischen Förderbank zwar irgendwie beteiligen, hadern aber derzeit selbst mit der Konjunktur. Dass eine Bank, die Unternehmern neue Finanzierungsmöglichkeiten bieten soll, ausgerechnet an ihrer Finanzierung zu scheitern droht, wäre natürlich kein beruhigendes Zeichen für den erhofften Aufschwung.
Unterschrift weckt Hoffnung
Insofern war es ein deutliches Signal, dass Bundeskanzlerin Angela Merkel und der griechische Regierungschef Antonis Samaras am Freitag (11.04.2014) eine Vereinbarung über die Gründung der Förderbank unterzeichnet haben - und das, ohne die EU-Partner vor den Kopf zu stoßen. Neben Deutschland und Griechenland könnten "zu einem späteren Zeitpunkt" auch weitere Interessenten an der neuen Förderbank beteiligt werden, hieß es in Athen.
Wichtig ist nun, dass dieses Projekt mit Leben gefüllt und nicht wie andere gut gemeinte Vorhaben in den Mühlen der Bürokratie zermalmt wird. Man erinnere sich, um nur ein Abschreckungsbeispiel zu nennen, an das Helios-Projekt, mit dem Griechenland die Photovoltaik massiv ausbauen und zum Solarstrom-Produzenten Nr. 1 in Europa werden sollte. 2011 hatte der damalige griechische Energieminister Giorgos Papakonstandinou das Projekt groß angekündigt, ohne allerdings den Finanzierungsrahmen von geschätzten 20 Milliarden Euro auch nur ansatzweise geklärt zu haben. Nach einem Regierungswechsel war das ambitionierte Projekt genauso wenig zu retten, wie Papakonstantinou selbst.
(Kommentar für die Deutsche Welle, April 2014- Σχόλιο για τη Ντόιτσε Βέλλε, Απρίλιος 2014)

EIN KICKER FÜR EUROPA

(Andy Warhols' "Time Pieces"? No, just some press souvenirs...)

Mit diesem Mann zog Hellas schon einmal an die Spitze Europas: Theodoros Zagorakis, Kapitän des Traditionsklubs PAOK Saloniki und der griechischen Nationalmannschaft, die 2004 die Fußball-EM in Portugal gewann (Otto Rehagel lässt grüßen). Nun soll der einstige Rekord-Nationalspieler außerhalb des Fußballfeldes Wunder vollbringen: Der konservative Regierungschef Antonis Samaras nominierte ihn als Kandidaten für die Europawahl.
Kann Zagorakis im Euro-Nichtabstiegskampf wichtige Punkte holen? Die Netzgemeinde ist gespalten. "Der hat höchstens einen Grundschulabschluss" empört sich ein Facebook-Nutzer. "Menschen mit Grundschulabschluss sind doch höher zu schätzen, als jemand wie du, der sich über die anderen lustig macht" kommt prompt die Antwort.
Der Fraktionssprecher der Linksopposition Dimitrios Papadimoulis glaubt, den Grund für die Neuverpflichtung zu kennen: Von den Ereignissen getrieben, wolle sich der Premier in Richtung Mittelfeld bewegen, fachsimpelte er via Twitter. Soll heißen: Nachdem neulich ein Mitarbeiter von Samaras wegen Kontakte zu Rechtsextremen zurücktreten musste, lässt der Regierungschef Kandidaten mit "Alles wird gut"-Ausstrahlung aufstellen. Eine Spielgarantie bekommt Zagorakis nicht. Erstmals bei einer Europawahl werden die Volksvertreter Griechenlands nach dem Persönlichkeitswahlrecht gewählt und es wäre gut möglich, dass sich die Stimmen auf mehrere Gute-Laune-Kandidaten verteilen. Zumal der Promifaktor im konservativen Lager relativ hoch ist: Mit Samaras kandidiert auch der Komponist Stavros Xarchakos, während die Rechtspopulisten Volkssänger Makis Christodoulopoulos ins Feld führen und im übrigen 15 ihrer Kandidatenplätze fürs EU-Parlament einfach ausgelost haben. Nach dem Motto: mitmachen und eine Reise nach Brüssel gewinnen.
"Zagorakis ist ein Mann aus dem Volk" schwärmt Dimitris Korderas, eingefleischter PAOK-Fan. "Ich glaube aber, das ganze könnte auch nach hinten losgehen" mahnt er. In der Tat: In einer am Mittwoch veröffentlichten Erklärung bringen PAOK-Fanklubs aus ganz Griechenland ihren Protest gegen Zagorakis zum Ausdruck. "Protest" ist jedoch milde formuliert: Die Fans beschimpfen ihr Idol als Hund, der sich vom Politsystem vereinnahmen lässt und "mit Unterwürfigkeit das Spiel seiner Auftraggeber" mitmacht.
Zagorakis wird vorgeworfen, eine unheilige Allianz mit dem Erzrivalen und Rekordmeister Olympiakos Piräus einzufädeln. Vielleicht geht's aber auch ums Geld, vermutet Korderas: "Seit Jahren kämpft PAOK für eine Regelung seiner Schulden gegenüber dem Staat, ohne Aussicht auf Erfolg. Dass Zagorakis sich trotzdem für eine Partei einsetzt, wollen ihm viele Fans nicht verzeihen", sagt Korderas, der seine Mannschaft gern live erlebt. Das jüngste Halbfinal-Hinspiel im Fußballpokal gegen Piräus hat er allerdings verpasst. Zum Glück, kann man wohl sagen: Das Spiel wurde von schweren Krawallen überschattet, PAOK-Fans setzten die Gästebank in Brand. Nix da mit europäischer Friedensdividende.

(Bericht für die TAZ, April 2014- Ρεπορτάζ για την εφημερίδα TAZ, Απρίλιος 2014)

AN DIE SPITZE EUROPAS FÜR SECHS MONATE

(Reporting for the German newspaper "Tageszeitung")

Am 1. Januar 2014 übernimmt Griechenland für ein halbes Jahr die EU-Ratspräsidentschaft. Obwohl das Land mit der schwersten Wirtschaftskrise seiner jüngsten Geschichte kämpft, möchte man "ein ehrlicher Makler" sein.

Anfang Dezember hat der griechische Ministerpräsident Antonis Samaras bei einem Treffen mit dem Präsidenten der EU-Kommission Jose Manuel Barroso einen Überblick über die geplanten Schwerpunkte seines Landes bis Juni 2014 gegeben: Athen will sich um das Wirtschaftswachstum und die soziale Kohäsion Europas, sowie um die Flüchtlingspolitik in der EU kümmern. Auch der Vollendung der Bankenunion will der griechische Regierungschef Priorität beimessen. 

Was das Wachstum betrifft, will die Athener Koalitionsregierung aus Konservativen und Sozialisten mit gutem Beispiel vorangehen und die EU-Partner positiv überraschen: 2013 verzeichnet Griechenland zum ersten Mal seit zehn Jahren einen primären Haushaltsüberschuss, 2014 will das auf internationale Hilfen angewiesene Land angeblich die Rezession hinter sich lassen und auf den Wachstumspfad zurückkehren. Doch daran glauben nur die wenigsten in Europa; vereinzelt wird sogar die Frage gestellt, ob die Griechen mit dem EU-Vorsitz nicht überfordert wären angesichts der Wirtschaftslage im eigenen Land. 

Imageaufpolierung 

Trotz Krise werde Griechenland für eine gute Präsidentschaft sorgen und ergebnisorientiert arbeiten, glaubt Panagiotis Ioakeimidis, Professor für Europapolitik an der Universität Athen. Schließlich wollten die Griechen durch einen erfolgreichen EU-Ratsvorsitz ihr Image verbessern und Glaubwürdigkeit wiederherstellen. "Und das wird auch gelingen, davon bin ich überzeugt", versichert der Athener Professor. 

Diese Zuversicht teilt auch die sozialistische Europa-Abgeordnete Sylvana Rapti, die als enge Vertraute des griechischen Außenministers Evangelos Venizelos gilt. Fast gereizt reagiert Rapti auf Zweifel an der Fähigkeit ihres Landes, die Präsidentschaft bewältigen zu können. "Derartige Zweifel werden aus Böswilligkeit geäußert", moniert die Politikerin. "Zum Vergleich: Auch Belgiens Ratsvorsitz (im Jahr 2010) musste gegen Bedenken kämpfen. Die Belgier hatten damals keine Regierung, doch sie haben eine gute Präsidentschaft hingelegt, ihre Krise hat das Europa-Geschäft nicht beeinträchtigt", gibt Rapti zu bedenken. 

Hoffnung auf ein soziales Europa

Nach 1983, 1988, 1994 und 2003 übernimmt Athen zum fünften Mal den rotierenden Ratsvorsitz. Wie kaum ein anderes EU-Land hat sich Griechenland in der Vergangenheit für ein soziales Europa einsetzen wollen, dabei jedoch eher bescheidene Erfolge erzielen können. Bereits 1988 drängte der damalige griechische Regierungschef Andreas Papandreou auf eine Europäische Sozialcharta, die aber erst ein Jahr später unter französischem Vorsitz zustande kam. 1994 geriet die sozialpolitische Agenda Athens angesichts der stockenden Verhandlungen um die EU-Norderweiterung in den Hintergrund, 2003 wurde sie völlig überschattet von der Irak-Krise und der daraus resultierenden Spaltung Europas.

Im nächsten Jahr will sich die griechische EU-Präsidentschaft die soziale Kohäsion in Europa erneut auf die Fahne schreiben. Besonderes Augenmerk soll dabei auf Jugendbeschäftigungsprogramme und deren Finanzierung gerichtet werden. Diesmal könnte der große Wurf doch noch gelingen, glaubt die Europa-Politikerin Sylvana Rapti. Der Ruf nach einem sozialen Europa werde doch immer lauter, erläutert die ehemalige Journalistin. Diejenigen, die sich lange dagegen gestemmt hätten, würden zunehmend isoliert. Selbst in reichen Ländern wie Deutschland, Frankreich und Großbritannien sehnten sich die Menschen mittlerweile nach einem sozialen Europa, meint Rapti.

Die EU-Präsidentschaft als ehrlicher Makler 

Indessen ist den Griechen auch bewusst, dass der turnusmäßige EU-Vorsitz in den vergangenen Jahren an Bedeutung verloren hat. Mit dem Reformvertrag von Lissabon, der 2009 in Kraft trat, wird der Europäische Rat nicht mehr durch den rotierenden Vorsitz, sondern von einem ständigen Präsidenten geführt, der für Kontinuität an der Spitze Europas sorgt. Daran erinnert auch Außenminister Venizelos in einem Interview mit dem Athener Wirtschaftsblatt Naftemporiki: Die rotierende Präsidentschaft habe mittlerweile nur noch beschränkte Kompetenzen. 

Professor Ioakeimidis glaubt allerdings, dass der rotierende EU-Vorsitzende auch nach dem Vertrag von Lissabon durchaus Gestaltungsmöglichkeiten habe - etwa als ehrlicher Makler und als Scharnier im institutionellen Gefüge Europas, damit Kommission, Parlament und die nationalen Regierungen sich auf gemeinsame Positionen einigen können. Griechenland werde seine Präsidentschaft nicht missbrauchen, um die eigenen Probleme zu lösen, versichert der Professor für Europapolitik. Natürlich werde auch während der Präsidentschaft über eine Regelung der griechischen Schulden diskutiert, doch das eine hätte mit dem anderen nichts zu tun: "Es wird eine europäische, keine griechische EU-Präsidentschaft", erläutert Ioakeimidis. 

Flüchtlinge werden ein Thema

Der Europa-Experte kennt sich mit der Materie aus: Als Berater im Athener Außenministerium und Mitglied griechischer Verhandlungsdelegationen hat Ioakeimidis alle bisherigen EU-Präsidentschaften Athens miterlebt; 2003 agierte er als Europaberater des damaligen Ministerpräsidenten Kostas Simitis. Als besonderen Schwerpunkt der anstehenden griechischen EU-Präsidentschaft nennt er die Flüchtlings- und Einwanderungspolitik. Ein Spannungsfeld zwischen nationalen Interessen und gesamteuropäischem Verständnis sei hier nicht zu übersehen. 

"In der Vergangenheit haben die griechischen Präsidentschaften an der Dublin-Verordnung mitgearbeitet, obwohl die griechische Regierung mit dieser Regelung nicht einverstanden war, da sie befürchtete, die Länder der europäischen Peripherie würden dadurch die Hauptverantwortung für die Flüchtlinge übernehmen", moniert Ioakeimidis. Er glaube zwar nicht, dass Griechenland eine Änderung des Dublin-Verfahrens auf die offizielle Agenda seiner Präsidentschaft setzt, trotzdem könne man einiges verbessern an der heutigen Regelung: "Zur Tagesordnung gehören etwa eine Verstärkung der Grenzschutzagentur FRONTEX, sowie Beratungen mit der neu eingesetzten EU-Arbeitsgruppe für das Mittelmeer", betont der Europa-Experte.

ZUM THEMA STAATSFERNSEHEN

(Just visiting...)

Da kommen persönliche Erinnerungen auf: Der Verfasser hatte sich früher einmal selbst um eine Mitarbeit beim griechischen Staatssender ERT bemüht– leider umsonst, wie es sich rasch herausstellte. Freunde rieten mir damals, dem aus Deutschland quasi Zugewanderten und Nichtsahnenden, ich solle bei gewissen Leuten vorsprechen, am besten gleich beim Presseminister. Weiß nicht, ob das immer so läuft bei ERT, jedenfalls kannte ich den Presseminister nicht, also musste ich draußen bleiben.

Aber auch als Zuschauer erlebte ich so manche Enttäuschung. Etwa 2006, als die TV-Gebühren um 30 Prozent erhöht wurden, damit die neuen Digitalsender finanziert würden. Wenige Jahre später wurde das Digitalangebot sparbedingt gestrichen, aber die erhöhten Gebühren gibt es immer noch. Da bestünde durchaus die Versuchung, den Leuten nach dem Mund zu reden, die, über Staatsjournalisten lästernd, erklären: „Die sollen sehen, wo sie bleiben, diese Parteibonzen.“ 

Tue ich aber nicht. Denn ich weiß heute, nach vielen persönlichen Begegnungen mit ERT-KollegInnen, dass im Haus auch leidenschaftliche Journalisten arbeiten, die für ihren Freiraum kämpfen im kafkaesken Apparat des Staatssenders. Auch sie verdienen ein besseres ERT-Fernsehen.

Und außerdem: In der immer flacher werdenden Medienlandschaft Griechenlands wäre ein ordentlich geführtes öffentlich-rechtliches Fernsehen der richtige Ort, um endlich ernsthaft über Politik und Wirtschaft in diesem Land zu sprechen. Die Frage, was etwa die griechischen Grünen über die Krise zu erzählen haben, interessiert mich doch viel mehr (na gut, sagen wir: mindestens genauso sehr) als die Frage nach den Körpermaßen griechischer Schönheitsköniginnen, die in den Privatsendern ausführlich genug erläutert wird. Deswegen: Öffentlich-rechtlich muss sein.

(Kommentar für die TAZ, Juni 2013- Σχόλιο για την εφημερίδα TAZ, Ιούνιος 2013)

DER AUFSTIEG VON VENIZELOS

(Live debate for Brussels-based "Europarltv.com" with British MEP Peter Skinner and journalists from all over Europe)

Er hat sein Ziel erreicht: Finanzminister Evangelos Venizelos ist neuer Chef der griechischen Sozialisten. Er soll die Partei aus der Krise führen.

Voller Zuversicht stellt Venizelos das Unmögliche in Aussicht: Eine absolute Mehrheit für die laut Umfragen auf elf Prozent abgestürzte sozialistische Partei PASOK bei den vorgezogenen Parlamentswahlen in diesem Jahr. Die Partei gilt heute als mitverantwortlich für die Wirtschaftsmisere Griechenlands. Außerdem war sie an den härtesten Sparmaßnahmen in der neueren griechischen Geschichte beteiligt. Trotzdem setzt Evangelos Venizelos große Hoffnungen auf den bevorstehenden Wahlkampf.
In Rekordzeit schaffte der aus dem nordgriechischen Thessaloniki stammende Professor für Rechtswissenschaften in den neunziger Jahren den Aufstieg an die Parteispitze. Zuvor hatte er als raffinierter Anwalt des unter Kossuptionsverdacht stehenden Sozialistenführers Andreas Papandreou geglänzt. Als Regierungssprecher, Justiz-, Kulturminister oder einfach nur graue Eminenz im Hintergrund imponierte Venizelos eher mit seinem ausgeprägten Machtbewusstsein als mit solider Facharbeit.

Enges Verhältnis zur orthodoxen Kirche

Sein Gesetz zur Entegnung von Privatvermögen der ehemaligen königlichen Familie begeisterte die sozialistischen Stammwähler, löste aber einen langjährigen Rechtsstreit aus, der zur Verurteilung Griechenlands durch den Europäischen Menschenrechtsgerichtshof in Straßburg führte. Auch als Kulturminister fiel Venizelos aus dem Rahmen: Als die orthodoxe Kirche 2003 gegen ein Gemälde des belgischen Malers Thierry de Cordier protestierte, das ein männliches Glied vor einem Kreuz zeigte, ließ der Minister das Kunstwerk kurzerhand aus der Ausstellung für zeitgenössische Kunst in Athen entfernen. Daraufhin erklärte er lapidar, die Kunst finde ihre Grenzen "im Gesetz, sowie im allgemeinen Geschmack".

Spätestens seit diesem Vorfall wird Venizelos ein enges Verhältnis zur Kirche nachgesagt. Möglicherweise war das auch der Grund dafür, dass er im Juli 2011 als Finanzminister dem Oberhaupt der orthodoxen Kirche, Erzbischof Hieronymus, fest zusicherte, die Besoldung der orthodoxen Geistlichen durch den Staat sei eine Vertragsverpflichtung, die selsbtverständlich auch in Krisenzeiten gelte. Immerhin kostet diese Vertragsverpflichtung die griechischen Steuerzahler im Moment über 200 Millionen Euro im Jahr.

Kündigungen bei schlechten Nachrichten

Die meisten Griechen finden, der 55-jährige Politiker habe als Finanzminister eine gute Figur gemacht. Sie berücksichtigen dabei, dass die ihm übertragenen Aufgaben fast unmöglich zu lösen waren. 
Als im September 2011 unabhängige Finanzexperten des Athener Parlaments in einem Bericht ankündigten, die Defizitquote Griechenlands würde 2011 knapp neun Prozent betragen und somit deutlich höher ausfallen als bis dahin in allen offiziellen Erklärungen vorgesehen, drängte Venizelos nach griechischen Medienberichten unverzüglich auf ihre Entlassung. Die Wissenschaftler beschimpfte er als "inkompetent". Im Nachhinein zeigte sich, dass die streitbaren Finanzexperten recht hatten. Ihre Jobs haben sie trotzdem nicht zurückbekommen.

(Bericht für die Deutsche Welle, März 2012- Ρεπορτάζ για την Ντόϊτσε Βέλλε, Μάρτιος 2012)


GRIECHISCH-DEUTSCHE MEDIENSCHLACHT

Ein Zeitungs-Aufmacher wird zum Politikum: Nachdem das Münchner Magazin "Focus" auf seinem Titel die griechische Göttin Aphrodite mit erhobenem Mittelfinger zeigte und über "Betrüger in der Euro-Familie" lästerte, erlaubte sich die Athener Tageszeitung "Eleftheros Typos" im Gegenzug eine Fotomontage der Göttin Viktoria mit Hakenkreuz. Der griechische Parlamentspräsident Philippos Petsalnikos erklärte, "dass die deutsche Presse manchmal hysterich reagiere" und beschwerte sich beim deutschen Botschafter wegen des Fokus-Titels.
Vassiliki Georgiadou, stellvertretende Professorin für Politikwissenschaft an der Panteion- Universität in Athen, ist ebenfalls empört über den Focus-Titel. Man könne doch nicht "über ein ganzes Land herziehen und elf Millionen Griechen pauschal als Betrüger und Faulpelze diffamieren" meint sie.

Dass so manche Journalisten erst einmal mit dem moralischen Zeigefinger und jetzt auch noch mit dem Stinkefinger daherkommen, gehe einfach zu weit, meint die Wissenschaftlerin, die ihre Arbeit in Deutschland geschrieben hat: "Der FOCUS hat eindeutig Grenzen überschritten. Sein Cover ist eine ästhetische Zumutung, der Text wirkt plakativ und schlimmer noch: Es wird verallgemeinert und im Endeffekt eine kollektive Schuld aller Griechen am Zustand der Wirtschaft ausgesprochen", sagt Georgiadou.

"Neigung zu Überreaktionen"

Die Athener Hochschullehrerin hat bereits einen Protestbrief an die FOCUS-Redaktion geschrieben. In seriösen Medien sei die Berichterstattung korrekt und in der Regel ziemlich objektiv, so die griechische Wissenschaftlerin. Sie hält es allerdings für übertrieben, den deutschen Botschafter einzubestellen, nur weil deutsche Journalisten missliebige Reportagen liefern. "Aber in wirtschaftlich schwierigen Zeiten kochen die Emotionen schnell mal hoch und dann kann es eben auch zu Überreaktionen kommen" erklärt Vassiliki Georgiadou. "Wenn sich in Griechenland ein Gefühl der Unsicherheit breitmacht, dann neigen wir immer zu Überreaktionen", räumt sie ein.

Gegenforderung: Reparationen

Der Titel des FOCUS solle Trittbrettfahrer aber nicht ermutigen, mit populistischen Angriffen gegen Deutschland zu polemisieren, mahnte die gemäßigte Athener Tageszeitung "Kathimerini". Ganz anders der populäre TV-Sender ALTER, der zur besten Sendezeit eine vierstündige Talkrunde über griechische Reparationsforderungen aus dem Zweiten Weltkrieg ausstrahlte. Mittlerweile fordern sogar Oppositionspolitiker die Regierung auf, Reparationszahlungen von Griechenland zu verlangen. Und auch der sozialistische Vize-Premier Theodoros Pangalos erinnert an die Besetzung Griechenlands durch die deutsche Wehrmacht.

Die Politikwissenschaftlerin Vassiliki Georgiadou mahnt indes zur Besonnenheit: "Wir dürfen diese Geschichte nicht immer dann aus der Schuhblade holen, wenn Misstöne zwischen Griechenland und Deutschland laut werden. Es gibt doch Politiker und Gerichte, die ein für alle Mal klären können, on es überhaupt offene Reparationsforderungen gibt oder nicht".

(Bericht für die Deutsche Welle, Februar 2010- Ρεπορτάζ για την Ντόϊτσε Βέλλε, Φεβρουάριος 2010)

HIC RHODOS, HIC SALTA

(The "Eurolexicon" explains Europe from A to Z)

Die Justiz ist nicht blind, sie kann sogar im Dunkeln sehen, wie jetzt einer ihrer vornehmsten Vertreter bewiesen hat. Griechenlands Vizejustizminister Giorgos Petalotis will einen Dieb, der ihn mitten in der Nacht in seinem Hotelzimmer ausrauben wollte, genau erkannt haben. Dank seiner Beschreibung wurde der mutmaßliche Täter auch gefasst.
Mitte August buchte Petalotis einen Familienurlaub in einem Luxushotel auf Rhodos. In einer warmen Sommernacht fand er erst spät ins Bett. Seltsame Geräusche rissen ihn aus dem Schlaf. An der Balkontür wurde der Minister von einem leicht bekleideten jungen Mann überrascht, der in seiner Reisetasche wühlte.

Petalotis- nicht nur im übertragenen Sinn ein Schwergewicht der regierenden Sozialisten- ging auf den vermeintlichen Dieb zu, der überrascht die Flucht ergriff, vor lauter Panik im Treppenhaus stürzte und doch irgendwie entkommen konnte. Hic Rhodos, hic salta!Unverzüglich meldete der Minister den Verlust eines iPods. Nach stundenlangen Ermittlungen konnte die Polizei von Rhodos einen 27-jährigen Hotelangestellten als Täter identifizieren, immerhin ein Ausländer, wie die Medien konstatierten. Dessen Angehörige bestreiten die Vorwürfe und erklärten, der 27-jährige verdiene 1.700 Euro im Monat und habe es bestimmt nicht nötig, mitten in der Nacht iPods zu klauen. Er besitze ja selbst ein viel moderneres iPhone 4, ätsch! Ätsch! Nichtsdetsotrotz entschuldigte sich die Hotelleitung beim Vizejustizminister und schenkte ihm einen brandneuen iPod. Im September kommt der mutmaßliche Täter wegen Diebstahls vor Gericht und soll nach dem Prozeß eventuell ausgewiesen werden, berichtet die Lokalpresse auf Rhodos.

In Athen wird die Geschichte politisch ausgeschlachtet, etwa vom konservativen Blatt "Dimokratia". Da müsse ein albanischer Einwanderer mehr oder weniger wohl als Opfer herhalten, beklagte ein Kommentator der Zeitung, die ansonsten nicht gerade durch ausländerfreundliche Ansichten auffällt.

Natürlich glauben die meisten Griechen nicht an ein Justizkomplott. Aber etwas Neid ist schon mit im Spiel. Es wäre doch zu schön, wenn die Polizei auch anderen Diebstahlopfern ähnlich viel Aufmerksamkeit schenken würde. Aber heutzutage kriegt man als Normalbürger rein gar nicht geschenkt. Nicht mal einen iPod.

(Kolumne für die "Tageszeitung", August 2011- Χρονογράφημα για την εφημερίδα "Tageszeitung", Αύγουστος 2011)

ROTE KARTE FÜR DEN EUROPAMEISTER IM RAUCHEN

(Smoke-free holiday in Kitzbühl, Austria)

Auch in Griechenland, Europas Raucher-Land Nummer eins, ist Qualmen jetzt verboten. Bei Verstößen gegen das Rauchverbot gibt es hohe Geldstrafen. Doch es ist fraglich, ob sich die Griechen daran halten werden. Laut Statistik sind sie ja Europameister im Rauchen, die griechischen Frauen sind sogar absolute Weltspitze!

Nationalprodukt Tabak

Panayotis Bechrakis, Professor für Lungemnedizin an der Athener Universität, stellt fest, dass über 40% seiner Landsleute regelmäßig rauchen und führt dies auf die Tradition der Tabakverarbeitung zurück. "Bei der Tabakproduktion können wir auf eine lange Tradition zurückblicken. Jahrzehntelang waren die Erlöse aus dem Tabakverkauf die einzige Einkommensquelle vieler Familien. Dadurch entstand eine Mentalität der Toleranz gegenüber dem Rauchen", erklärt Professor Bechrakis, Berater des Gesundheitsministeriums und Mit-Initiator des Rauchverbots.

Ob das neue Gesetz auch durchgesetzt wird, ist fraglich. Denn viele Griechen halten sich nicht einmal an die bereits geltenden Rauchverbote, etwa im öffentlichen Nahverkehr oder in Sporthallen. Kann man überhaupt passionierte Raucher per Gesetz dazu zwingen. mit dem Rauchen aufzuhören? Panayotis Bechrakis meint: "Das haben wir gar nicht vor. Es geht uns erst einmal nicht darum, dass man ganz aufhört zu rauchen, sondern wir wollen das Passivrauchen per Gesetz verbieten. Es kann doch nicht angehen, dass man am Arbeitsplatz durch rauchende Kollegen oder Gäste belästigt wird".

Vorwurf der Doppelzüngigkeit

Griechische Tabakfreunde sind allerdings nicht leicht umzustimmen. Mit Stolz verweisen sie darauf, dass sogar die Königin von Dänemark griechische Zigaretten ohne Filter raucht. Auch die Werbewirtschaft steht einem Rauchverbot skeptisch gegenüber, denn sie befürchtet Verluste in Millionenhöhe.

Manolis Papapolyzos, Vorsitzender des Zentralverbands der griechischen Werbewirtschaft, wirft der Regierung Doppelzüngigkeit vor: "Zigaretten schaden unserer Gesundheit und sind dennoch legal. Aber die Werbung für Zigaretten soll jetzt auf einmal verboten werden. Das ist doch genauso, als würde man Journalisten untersagen, über ein bestimmtes Thema zu schreiben. Wenn der Staat wirklich meint, dass der Tabak eine Droge ist, dann soll er ihn auch gleich verbieten", glaubt der Werbefachmann.

Zahlreiche Ausnahmen

Die Regierung will es allen recht machen, deswegen ist das neue Gesetz ziemlich unübersichtlich: Werbeaktionen für Tabakprodukte werden stark eingeschränkt, aber doch nicht ganz verboten. In Bars und Restaurants darf eigentlich nicht geraucht werden, aber jeder Wirt darf seinen Betrieb zum "Raucherlokal" erklären, wenn sein Gastraum weniger als 70 Quadratmeter misst.

Selbst Professor Bechrakis ist nicht ganz zufrieden mit dem Gesetzesentwurf: "Vor dem Rechtsausschuss des griechischen Parlaments sprach ich mich offen gegen jegliche Ausnahmen beim Rauchverbot in der Gastronomie aus, aber niemand wollte meine Ansicht teilen. Alle meinten, bei einem kompletten Rauchverbot würden wir plötzlich von einem Extrem ins andere fallen".

(Bericht für die Deutsche Welle, Juli 2009- Ρεπορτάζ για το γερμανικό πρόγραμμα της Ντόϊτσε Βέλλε, Ιούλιος 2009)