20110924

GRIECHISCH-DEUTSCHE MEDIENSCHLACHT

Ein Zeitungs-Aufmacher wird zum Politikum: Nachdem das Münchner Magazin "Focus" auf seinem Titel die griechische Göttin Aphrodite mit erhobenem Mittelfinger zeigte und über "Betrüger in der Euro-Familie" lästerte, erlaubte sich die Athener Tageszeitung "Eleftheros Typos" im Gegenzug eine Fotomontage der Göttin Viktoria mit Hakenkreuz. Der griechische Parlamentspräsident Philippos Petsalnikos erklärte, "dass die deutsche Presse manchmal hysterich reagiere" und beschwerte sich beim deutschen Botschafter wegen des Fokus-Titels.
Vassiliki Georgiadou, stellvertretende Professorin für Politikwissenschaft an der Panteion- Universität in Athen, ist ebenfalls empört über den Focus-Titel. Man könne doch nicht "über ein ganzes Land herziehen und elf Millionen Griechen pauschal als Betrüger und Faulpelze diffamieren" meint sie.

Dass so manche Journalisten erst einmal mit dem moralischen Zeigefinger und jetzt auch noch mit dem Stinkefinger daherkommen, gehe einfach zu weit, meint die Wissenschaftlerin, die ihre Arbeit in Deutschland geschrieben hat: "Der FOCUS hat eindeutig Grenzen überschritten. Sein Cover ist eine ästhetische Zumutung, der Text wirkt plakativ und schlimmer noch: Es wird verallgemeinert und im Endeffekt eine kollektive Schuld aller Griechen am Zustand der Wirtschaft ausgesprochen", sagt Georgiadou.

"Neigung zu Überreaktionen"

Die Athener Hochschullehrerin hat bereits einen Protestbrief an die FOCUS-Redaktion geschrieben. In seriösen Medien sei die Berichterstattung korrekt und in der Regel ziemlich objektiv, so die griechische Wissenschaftlerin. Sie hält es allerdings für übertrieben, den deutschen Botschafter einzubestellen, nur weil deutsche Journalisten missliebige Reportagen liefern. "Aber in wirtschaftlich schwierigen Zeiten kochen die Emotionen schnell mal hoch und dann kann es eben auch zu Überreaktionen kommen" erklärt Vassiliki Georgiadou. "Wenn sich in Griechenland ein Gefühl der Unsicherheit breitmacht, dann neigen wir immer zu Überreaktionen", räumt sie ein.

Gegenforderung: Reparationen

Der Titel des FOCUS solle Trittbrettfahrer aber nicht ermutigen, mit populistischen Angriffen gegen Deutschland zu polemisieren, mahnte die gemäßigte Athener Tageszeitung "Kathimerini". Ganz anders der populäre TV-Sender ALTER, der zur besten Sendezeit eine vierstündige Talkrunde über griechische Reparationsforderungen aus dem Zweiten Weltkrieg ausstrahlte. Mittlerweile fordern sogar Oppositionspolitiker die Regierung auf, Reparationszahlungen von Griechenland zu verlangen. Und auch der sozialistische Vize-Premier Theodoros Pangalos erinnert an die Besetzung Griechenlands durch die deutsche Wehrmacht.

Die Politikwissenschaftlerin Vassiliki Georgiadou mahnt indes zur Besonnenheit: "Wir dürfen diese Geschichte nicht immer dann aus der Schuhblade holen, wenn Misstöne zwischen Griechenland und Deutschland laut werden. Es gibt doch Politiker und Gerichte, die ein für alle Mal klären können, on es überhaupt offene Reparationsforderungen gibt oder nicht".

(Bericht für die Deutsche Welle, Februar 2010- Ρεπορτάζ για την Ντόϊτσε Βέλλε, Φεβρουάριος 2010)