(Live debate for Brussels-based "Europarltv.com" with British MEP Peter Skinner and journalists from all over Europe)
Er hat sein Ziel
erreicht: Finanzminister Evangelos Venizelos ist neuer Chef der griechischen
Sozialisten. Er soll die Partei aus der Krise führen.
Voller
Zuversicht stellt Venizelos das Unmögliche in Aussicht: Eine absolute Mehrheit
für die laut Umfragen auf elf Prozent abgestürzte sozialistische Partei
PASOK bei den vorgezogenen Parlamentswahlen in diesem Jahr. Die Partei gilt
heute als mitverantwortlich für die Wirtschaftsmisere Griechenlands. Außerdem
war sie an den härtesten Sparmaßnahmen in der neueren griechischen Geschichte
beteiligt. Trotzdem setzt Evangelos Venizelos große Hoffnungen auf den
bevorstehenden Wahlkampf.
In
Rekordzeit schaffte der aus dem nordgriechischen Thessaloniki stammende
Professor für Rechtswissenschaften in den neunziger Jahren den Aufstieg an die
Parteispitze. Zuvor hatte er als raffinierter Anwalt des unter
Kossuptionsverdacht stehenden Sozialistenführers Andreas Papandreou geglänzt.
Als Regierungssprecher, Justiz-, Kulturminister oder einfach nur graue Eminenz
im Hintergrund imponierte Venizelos eher mit seinem ausgeprägten
Machtbewusstsein als mit solider Facharbeit.
Enges Verhältnis zur orthodoxen Kirche
Sein
Gesetz zur Entegnung von Privatvermögen der ehemaligen königlichen Familie
begeisterte die sozialistischen Stammwähler, löste aber einen
langjährigen Rechtsstreit aus, der zur Verurteilung Griechenlands durch den
Europäischen Menschenrechtsgerichtshof in Straßburg führte. Auch als
Kulturminister fiel Venizelos aus dem Rahmen: Als die orthodoxe Kirche 2003
gegen ein Gemälde des belgischen Malers Thierry de Cordier protestierte, das
ein männliches Glied vor einem Kreuz zeigte, ließ der Minister das Kunstwerk
kurzerhand aus der Ausstellung für zeitgenössische Kunst in Athen entfernen.
Daraufhin erklärte er lapidar, die Kunst finde ihre Grenzen "im Gesetz,
sowie im allgemeinen Geschmack".
Spätestens
seit diesem Vorfall wird Venizelos ein enges Verhältnis zur Kirche
nachgesagt. Möglicherweise war das auch der Grund dafür, dass er im Juli 2011
als Finanzminister dem Oberhaupt der orthodoxen Kirche, Erzbischof Hieronymus,
fest zusicherte, die Besoldung der orthodoxen Geistlichen durch den Staat sei
eine Vertragsverpflichtung, die selsbtverständlich auch in Krisenzeiten gelte.
Immerhin kostet diese Vertragsverpflichtung die griechischen Steuerzahler im
Moment über 200 Millionen Euro im Jahr.
Kündigungen bei schlechten Nachrichten
Die
meisten Griechen finden, der 55-jährige Politiker habe als Finanzminister eine
gute Figur gemacht. Sie berücksichtigen dabei, dass die ihm übertragenen
Aufgaben fast unmöglich zu lösen waren.
Als
im September 2011 unabhängige Finanzexperten des Athener Parlaments in einem
Bericht ankündigten, die Defizitquote Griechenlands würde 2011 knapp neun
Prozent betragen und somit deutlich höher ausfallen als bis dahin in allen
offiziellen Erklärungen vorgesehen, drängte Venizelos nach griechischen
Medienberichten unverzüglich auf ihre Entlassung. Die Wissenschaftler
beschimpfte er als "inkompetent". Im
Nachhinein zeigte sich, dass die streitbaren Finanzexperten recht hatten. Ihre Jobs haben
sie trotzdem nicht zurückbekommen.
(Bericht für die Deutsche Welle, März 2012- Ρεπορτάζ για την Ντόϊτσε Βέλλε, Μάρτιος 2012)