20060820

DIE FIFA LÄSST GRÜSSEN !

(With "Herakles" Otto Rehagel, coach of the Greek national football team)

Eigentlich sollte Europameister Griechenland am 4. Juli den zweiten Jahrestag des EM-Erfolges feiern. Doch ausgerechnet an diesem Tag versetzte der Fußball-Weltverband FIFA die griechischen Fans in einen Schockzustand. Ein Dringlichkeitskomitee der FIFA verfügte die Suspendierung des griechischen Fußballverbandes wegen unerlaubter Einflußnahme des Sportministers Orfanos in Verbandsangelegenheiten. Damit wären die griechischen Nationalteams und Klubs bis auf weiteres von allen internationalen Wettbewerben ausgeschlossen. Schuld daran sei der Sportminister Georgios Orfanos, meint der griechische Verbandspräsident Wassilis Gagatsis.

„Ich denke, wir sind verpflichtet, den griechischen Fußball gegen eine Einmischung in Verbandsbelange zu schützen und das tun wir auch“ sagt der griechische Verbandspräsident Wassilis Gagatsis. „Herr Minister meint, er sei selbst der griechische Fußball. Da sind wir natürlich anderer Meinung“

Seit Dienstag wird im griechischen Parlament über ein neues Sportgesetz beraten, das die staatliche Aufsicht über die Sportfunktionäre verschärft: Eigentlich ein Verstoß gegen die FIFA-Statuten, denn dort wird die Verwaltungsautonomie aller Mitgliedsverbände vorgeschrieben. Doch andererseits: Gerade in Griechenland werden vielen Fußball-Funktionären dubiose Geschäfte und Machenschaften vorgeworfen, Steuerhinterziehung gilt nur noch als Kavaliersdelikt. „Da muß doch der Staat eingreifen können“, meint ex-Fußballspieler Aristidis Kamaras. Der ehemalige Stürmer und Nationalspieler von Panathinaikos Athen hat sich einen Namen als Fachanwalt für Sport- und Arbeitsrecht gemacht und war bereits bei vielen Sportpolitikern als Rechtsberater tätig. Für ihn hat nationales Recht eindeutig Vorrang vor einem FIFA-Statut :

„Es ist doch ganz einfach: Niemand steht über dem Gesetz. Wenn die Mehrheit der Abgeordneten im griechischen Parlament ein Gesetz verabschiedet, dann ist dieses Gesetz auch gültig. Wenn man das Gesetz für verfassungswidrig hält, dann ruft man eben die Gerichte an, nicht die FIFA. Und ich bin mir ganz sicher, der Weltverband würde sich nicht in die inneren Angelegenheiten eines Staates oder eines Fußballverbandes einmischen, wenn man ihn dazu nicht ausdrücklich aufgefordert hätte.“

Ob der griechische Verbandspräsident Gagatsis eine Suspendierung durch die FIFA provoziert hat, um dem Sportminister Orfanos eins auszuwischen, bleibt dahingestellt. Tatsache ist: Seit Monaten schwelt ein Streit zwischen dem konservativen Sportminister und dem Verbandspräsidenten, der den Sozialisten nahesteht. Es geht um Macht und auch um viel, viel Geld- vor allem um die Einnahmen aus dem Champions League. Gagatsis rechnet mit der Unterstützung der FIFA und der Medien. “Europameister Griechenland auf den Spuren Kambodschas und Kenias“ – solche Schlagzeilen könnten das Ende jeder Ministerkarriere bedeuten. Also geht der Verbandspräsident zur Offensive über und fordert lautstark das Ende staatlicher Einflußnahme in den griechischen Fußball. Doch was heißt eigentlich “Einflußnahme” ?

„Da könnte ich Ihnen zahlreiche Beispiele nennen…“ sagt Wassilis Gagatsis. „Etwa die neue Vorschriften zur Bestellung unseres Vorstandes oder die angebliche Kompetenz des Staates zur Regelung des Disziplinarwesens. Oder das Lizenzsystem des europäischen Fußballverbandes UEFA. In Deutschland gilt diese Regelung seit 10 Jahren, unser Sportminister würde sie am liebsten fallen lassen. Auch das Regelwerk über die Spieleragenten steht zur Debatte, denn der Sportminister seine eigene Regelung durchsetzen, obwohl eigentlich die FIFA dafür zuständig ist“.

Das kann Staranwalt Aristidis Kamaras nicht stehen lassen. Nach der griechischen Verfassung sei der Staat auch für den Sport zuständig, die FIFA sei bestimmt keine Quelle des Völkerrechts und dürfe nicht den Gesetgeber bevormunden.

„Es ist doch absurd, daß die FIFA dem Staat einfach verbietet, privatrechtliche Vorschriften über das griechische Verbandsrecht zu erlassen“ meint der Staranwalt für Sportrecht. „Und im übrigen, diese Intervention aus dem Ausland verstehe ich überhaupt nicht! Als ob wir uns im Bürgerkrieg befinden würden und man müßte einen Kommissar oder Wahlbeobachter nach Griechenland schicken, um den Konflikt beizulegen“.

Noch schweigt der Sportminister. Nach Angaben griechischer Medien wird er wohl doch einlenken, allerdings müßte der griechische Fußballverband in diesem Fall einen hohen Preis für seine Selbstverwaltung zahlen. Denn angeblich werden alle Zuwendungen des Staates an Profi- oder Amateurvereine ab sofort gestrichen. Der Verband soll sich bitte schön selbst finanzieren, heißt es im Sportministerium. Der nächste Konflikt mit Gagatsis ist wohl bereits programmiert…


(Bericht für die Zentralredaktion der Deutschen Welle, Juli 2006 – Ρεπορτάζ για το γερμανικό πρόγραμμα της Ντόιτσε Βέλλε, Ιούλιος 2006).