20110924

VON MIGRANTEN ZU GESCHÄFTSLEUTEN: CHINESISCHE HÄNDLER IN ATHEN

(Working with a German TV-crew in Athens, Greece)

Ein richtiges Chinatown mit Eingangstoren, bunten Tempeln und zahllosen chinesischen Geschäften wie etwa in San Francisco gibt es in Griechenland eigentlich gar nicht. "Chinatown" nennt man in Athen vor allem die abgelegene Aghisilaou Straße oder aber auch die "Plateia Theatrou", den Theaterplatz im Stadtzentrum. Aber dort gibt es keine Tempel oder Restaurants, sondern ein paar Handelszentren, also Häuserblocks mit chinesischen Geschäften. Doch die reichen aus, um Einheimische auf die Barrikaden zu bringen.

Dort hat auch Lan Xiao Cheng seinen wirtschaftlichen Aufstieg geschafft. Seit über fünfzehn Jahren lebt der geschäftstüchtige Händler aus China in Athen. "Ich kam zum Studieren nach Griechenland und nach drei Jahren habe ich einen Import-Export-Laden für Seidenstoffe und Kleidung eröffnet" erzählt er. Wenig später habe Griechenland den Zuschlag für die Olympischen Sommerspiele 2004 erhalten, aber damals sprach hier kaum jemand Chinesisch, sagt Cheng: "Ich dachte mir, ich könnte es doch mit einem Reisebüro versuchen. Heute kommen immer mehr Leute nach Griechenland. Das Geschäft wächst jährlich um 20 Prozent". Er sei eben immer zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort gewesen und konnte so eine eigene Existenz aufbauen.

Billigläden von finanzstarken Chinesen

Offiziell leben 2.000 Chinesen im Großraum Athen, ihre tatsächliche Zahl liegt vermutlich zehnmal so hoch. Es handelt sich vor allem um Touristen, die nach Ablauf ihres Visums weiter in Griechenland bleiben- ob legal oder illegal. Viele besitzen einen Laden für Billigkleidung oder arbeiten in der Gastronomie. Um ihren geschöftlichen Erfolg werden sie durchaus beneidet. Griechische Geschäftsleute reagieren empört. Sie werfen den Chinesen unlauteren Wettbewerb, Lohndumping und massiv gestiegene Mietpreise vor. Auch Dimitris Armenakis, Vorsitzender des griechischen Handelsverbandes, läuft Sturm gegen die unliebsamen Konkurrenten. Er wirft ihnen vor, ihre Waren nicht nur im eigenen Laden, sondern auch auf der Straße zu verkaufen- und zwar schwarz. "Die Behörden sind nicht in der Lage, den Schwarzhandel einzudämmen" erklärt er. "Und die chinesischen Höndler nutzen das Unvermögen das Staates aus. Für uns sind sie eine echte Plage. Wir sind nicht gegen irgend jemanden, aber wir verlangen, dass die Gesetze eingehalten werden"

Vom Auswanderungs- zum Einwanderungsland

Griechenland, einst ein Auswanderungsland, wird zum beliebten Einwanderungsziel junger Menschen aus Asien und Afrika. Doch das Land scheint finanziell und politisch überfordert und von der EU allein gelassen. Und die griechischen Behörden verfolgen nicht einmal im Ansatz eine vernünftige Integrationspolitik. Angefangen von der bloßen Registrierung der Einwanderer über ihre wirtschaftliche oder rechtliche Absicherung bis hin zur konkreten Integrationsmaßnahmen stecken die politischen Bemühungen in den Kinderschuhen. Fragen der Staatsangehörigkeit werden vernachlässigt. Dass die Griechen wenig über die Zuwanderer wissen, macht die Sache nicht einfacher.

So hat das Athener Institut für internationale Wirtschaftsbeziehungen erst im Jahr 2007 die allererste wissenschaftliche Studie über asiatische Einwanderer in Griechenland durchführen lassen. Plamen Tonchev, Asienexperte bulgarischer Abstammung und Initiator der Studie, hat nur Gutes zu erzählen über die Chinesen. Die Studie habe ergeben, dass sie fleißig, realistisch, geschäftstüchtig und besonders gut ausgebildet seien. "Das hilft ihnen dabei, ihre wirtschaftlichen und unternehmerischen Ziele schneller zu erreichen" glaubt Tonchev. "Ich denke daher, dass wir uns nicht über die Chinesen beschweren dürfen. Statdessen sollten wir lieber unsere eigenen Hausaufgaben machen und die Wettbewerbsfähigkeit der griechischen Wirtschaft verbessern".

Die Wirtschaftskrise macht den griechischen Händlern zusätzlich zu schaffen. Allein in diesem Jahr mussten über 1.000 Kleinbetriebe im Großraum Athen Konkurs anmelden, Experten befürchten noch Schlimmeres in den nächsten Monaten. Die Gefahr ist groß, dass die Chinesen als Sündenböcke für die Krise herhalten- und auch für eine versäumte Integrationspolitik.

(Bericht für die Deutsche Welle, August 2009- Ρεπορτάζ για το γερμανικό πρόγραμμα της Ντόϊτσε Βέλλε, Αύγουστος 2009)